Olaf Metzel
Tafelrunde
Jun 26 - Jul 18, 2021

 

Man kann heute Kunst an jedem Ort und jeder Stelle machen – das ist eine Frage der Organisation, der Infrastruktur, der Flexibilität. Die Übergänge sind fließend. Es wird immer wieder Grenzbereiche geben. Um das gesellschaftliche Spektrum zu erweitern, ist das auch gut so. Es wird immer etwas anderes sein, ob man einen Fernsehfilm dreht oder Skulpturen herstellt. Jedenfalls haben die Statusrituale der Konsumgesellschaft den gesellschaftlichen Umgang mit den Dingen verformt. Sie ist in der Hand von Marktstrategen, die ihre Endverbraucher zum passiven Dauerkonsum dressieren. Eine ganze Industrie mit subtilen Mechanismen ist darauf gerichtet und expandiert ständig, weil die Nachfrage immer größer wird. Die Leute sind nicht in der Lage, sich wirklich mit sich selber zu beschäftigen. Auch wenn man zwischen freiwilliger und unfreiwilliger Freizeit unterscheidet, die Konsumbranche boomt. Dazu kommt dann der Erdnusseffekt: immer mehr, immer mehr, immer mehr. Das reicht vom Zapping bis zum Crash-Syndrom, also Zerstörungswut aus Orientierungslosigkeit oder Langeweile. Eine Art Volkssport. Aber schon Bakunin hat die Lust am Zerstören als kreativ bezeichnet. Die schönsten Stellen als erste zerschlagen, damit alles besser wird? Ein solcher „Zerstörungsakt“ kann die Bedeutung der zeitgenössischen Kunst ausmachen. Sie ist Resonanzkörper für gesellschaftliche Entwicklung, kann fragwürdige Konventionen sichtbar machen und erweitert vor allem die Möglichkeiten der sinnlichen Wahrnehmung in jede Richtung. Manchmal kann der Blick in den Kühlschrank spannender sein als der in den Fernseher. Vielleicht deshalb, weil man Tatsachen als Tatsachen und nicht als Interpretation betrachtet. Ist es der angenehme Widerstand des Materials beim Öffnen einer Bierflasche oder das Geräusch beim Knallen des Korkens einer Weinflasche? Die Dinge existieren nur für sich selbst im neuen Realismus. Bruno Latour hat es anders formuliert: Dinge passieren, Menschen geschehen. 

Kaffee, Zeitung, Zigaretten war der Titel eines meiner letzten Kataloge und bezeichnet genau das, was man sich am Morgen wünscht. Abends gilt entsprechend vom „Fernseher zum Kühlschrank“, um sich ein Getränk zu holen. Dazwischen bleibt nur der Warenkorb der Alltagsästhetik. Aber all das, was man als wirklich feststellt, muss man ja nicht akzeptieren.

Text: Olaf Metzel

Olaf Metzel (geboren 1952 in Berlin) lebt und arbeitet in München. Neben zahlreichen Einzelausstellungen im In- und Ausland nahm er 1987 an der documenta 8 in Kassel teil, 1987 und 1997 an den Skulptur-Projekten Münster sowie an der Sydney Biennale (1984/1990), der Istanbul Biennale (1991/1995 und 2017) und der Sao Paulo Biennale (2002). Darüber hinaus erhielt Olaf Metzel zahlreiche Preise und Auszeichnungen, wie den Arnold-Bode-Preis (Kassel, 1994), den Wilhelm-Loth-Preis (Darmstadt, 1997), den Lichtwark-Preis (Hamburg, 2010) und den Jerg-Ratgeb-Preis (Reutlingen, 2018). Olaf Metzels Skulpturen im öffentlichen Raum sind in Deutschland, im europäischen Ausland und in Asien zu finden. Er kuratiert Ausstellungen und publiziert Beiträge in Magazinen und Zeitungen. Werke von Olaf Metzel befinden sich in internationalen Museen und Sammlungen, u.a. im Museum Ludwig, Köln; Kunstsammlung NRW, Düsseldorf; Hamburger Kunsthalle; Pinakothek der Moderne, München; Lenbachhaus, München; Neues Museum Nürnberg; Kunsthalle Bremen; Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz (Kupferstichkabinett); Staatsgalerie Stuttgart; Sammlung Deutsche Bank, Frankfurt; Kunstsammlung Munich Re, München; ZKM, Karlsruhe; Sammlung Falckenberg, Hamburg; Sammlung René Block, Berlin; Sammlung Böckmann, Berlin; Sammlung Hollweg, Bremen, Collezione Sandretto Re Rebaudengo, Turin, Italien; Vehbi Koç Stiftung, Istanbul, Türkei; The Margulies Collection, Miami, FL; u.a. „Tafelrunde“ ist die 4. Einzelausstellung von Olaf Metzel in der Galerie Parisa Kind.